Mikrostrabismus und subnormales binokulares Sehen

Bei einem kleinen Schielwinkel entstehen Defekte der Fusion und des Stereosehens oder sie sind schon primär vorhanden. Fusion und beidäugiges Sehen ist bei nicht zu großen Winkeln peripher noch möglich. In der sensitiven Phase werden Doppelbilder im Zentrum des Gesichtsfelds unterdrückt (Suppression). Durch die Deformierung der Panum-Areale werden die peripheren Raumwerte verschoben. Diese Verschiebung wird auf den Raumwert der Fovea centralis des Schielauges übernommen. Sie stellt dann nicht mehr das Raumzentrum des Schielauges im beidäugigen Sehakt dar (anomale retinale Korrespondenz). Im Extremfall, also keineswegs obligat, ist damit eine Verschiebung der Fixation bei einäugiger Sehweise auf eine exzentrische Netzhautstelle verbunden (extrafoveolare Fixation, exzentrische Fixation).

Der Mikrostrabismus ist kein eigenständiges Krankheitsbild. Der Begriff hat sich trotzdem etabliert, weil bei einem kleinen Innenschielwinkel (bis ca. 5 Grad) anomales, aber nicht wertloses binokulares Sehen möglich ist. Zur Diagnose des Mikrostrabismus gehört die anomale Korrespondenz. Die Übergänge von hochwertigem Stereosehen über subnormales Binokularsehen hin zu Mikrostrabismus und gröberen Defekten sind fließend.

Ein besonderes Augenmerk verdient der Mikrostrabismus, weil er unbehandelt häufig zur Amblyopie führt. Wegen des unauffälligen Winkels wird die Störung häufig erst spät entdeckt. Daher sollten in betroffenen Familien alle Kinder in den ersten Lebensjahren wiederholt augenärztlich untersucht werden.

Eine Mikroesotropie findet sich häufig auch als Ergebnis einer erfolgreichen Operation bei frühkindlichem Innenschielen.